Silvester - Maria stand am offenen Fenster, atmete die kalte Winterluft. Von überall waren bereits Knaller und Feuerwerkskörper zu hören.
Einige in ihrer Blickrichtung auch zu sehen.
Seit an einem 31.12. ein vierbeiniger Liebling von ihr über
die Regenbogenbrücke gegangen war, mit nicht einmal fünf Jahren, war das Datum
sowieso mit negativen Gedanken belastet. Nie mehr konnte sie an diesem Tag die
unbeschwerte Freude oder Erwartung von früher spüren. Die Erinnerung ließ es
einfach nicht zu.
Sie dachte über das gehende Jahr nach. Es schlich leise
davon, obwohl es von vielen Hoffnungen begleitet gekommen war. Doch es hatte
nur eine fast gerade Linie an Ereignissen, Arbeit und Freude gebracht. Wenn es
keine Amplituden nach oben oder unten gab, musste man doch froh sein. Oder
nicht?
Wenn ein Jahr wie das andere war. Dankbar, dass es nicht
schlimmer gekommen war. Nicht unzufrieden, dass es keine Höhepunkte gab.
Doch dieses eigenartige Ding da in der Brust, das manche
Herz nannten, klopfte beim Jahreswechsel noch immer schneller. Hegte Hoffnungen,
vielleicht auch unerfüllbare. Fragte, ob
da nicht noch ein Mehr möglich wäre. Mehr Leben, mehr Liebe, mehr sich selbst spüren,
mehr geheime Wunscherfüllung, mehr in die Ferne schweifen, mehr Gefühl, mehr
Verständnis. Mehr von allem Positiven und viel weniger von allem Negativen.
Maria seufzte.
Entließ die niederdrückenden Gedanken mit der nächsten
Rakete in die Nacht. Verabschiedete ihre Ängste in die Dunkelheit.
Im Radio zählte die Stimme die Sekunden bis zur Mitternacht.
Drei, zwei, eins, Happy New Year!
Anstoßen, ein Kuss mit dem Angetrauten, einige Schluck
trinken, die Vierbeiner umarmen und alles Gute wünschen. Vor allem Gesundheit.
Das Wichtigste, wie Maria inzwischen zu wissen gelernt hatte.
In buntem Sprühregen zerfallende Raketen, eine
Farbpalette an Blitzen in alle Himmelsrichtungen und die Bitte ans Universum,
ein wenig mehr Licht, Strahlen und Leuchten im Neuen Jahr in ihr Leben zu
streuen. Und das Versprechen, Demut und Dankbarkeit trotzdem nie zu verlernen.