Samstag, 23. Januar 2016

Ausschnitt aus dem Epilog meiner biografischen Erzählung:


Der Mensch war dabei, wie eine nicht zu stoppende Lawine, sich zu vermehren und die vorhandenen Ressourcen ohne Schonung auszubeuten. Er vernichtete, was unwiederbringlich verloren war, ohne Nachdenken; er setzte Handlungen, deren Folgen unumkehrbar waren. Er gebärdete sich, als ob er eine zweite, weitere Erde in der Hosentasche verborgen hätte.
Und unter all dem der blaue Planet, so schön, vielfältig, einmalig und zerbrechlich; und dabei doch seit Millionen von Jahren so herrlich, sich verändernd und stark. Er bräuchte die Menschheit nicht.
Doch der menschliche Geist hatte sich zu ungeahnten Höhenflügen getrieben, wollte allem auf den Grund gehen, hinterfragte stets.
     Was kam davor und warum? Wohin konnte man gehen und wie weit Grenzen des Denkens hinausschieben? Was folgte dann, wenn theoretisch Gedachtes und Durchgespieltes in eine Wirklichkeit entlassen wurde? Wenn der entfesselte Geist aus der Flasche böse, vernichtend und unaufhaltbar war? 



Samstag, 16. Januar 2016

     Alles schien sowie immer. Doch zuweilen schlich sich bei Maria das Gefühl ein, auf einem Vulkan zu tanzen, auf dünnem Boden über dem Abgrund.
   Die Welt schien aus den Fugen zu geraten, mit jedem Jahr mehr.
   Eine Mischung aus Gier, Unverstand, brutalem Machtstreben und schierem intellektuellem Unvermögen produzierte eine Heerschar von vor den Zuständen Flüchtenden. Die wie eine unaufhaltsame Woge von einem Kontinent zum anderen fluteten. Und dabei wie eine Völkerwanderung langsam aber sicher eine Situation schufen, um sich im eigenen Land fremd, bedroht und überfordert zu fühlen.
    Aus Zündeln, Provokation, Machtgelüsten wurden Kriege.
    Kriege, wo Menschen nicht mehr in der Heimat ausharren mussten, wollten, konnten. Weil auch die Angst, das nackte Überleben oder die falsch geweckten Hoffnungen zum globalisierten Geschäft mutierten. 
   Ein Grauen, das sich vor Marias Augen abspielte, multimedial in Szene gesetzt. Und doch irgendwann seine Grenzen des Erträglichen fand, hilflos machte. 
   Mitleid – langsam abgestumpft aus Selbsterhaltungstrieb, helfen können – nur bis zu einem gewissen Grad, schreien wollen – den scheinbar Mächtigen dieser Welt ins Gesicht.  
 

Dienstag, 12. Januar 2016

         Nur dieses kurze Aufzucken eines Tagtraumes.
Tief hängende Wolken, als ob man sie mit Händen greifen könnte. Die in schneller Jagd und Hast über das Firmament huschten. Nebel, der morgens und abends die Landschaft verschluckte.
     Steine, Ruinen, uralte Kreuze, verwittert, grün überwachsen, mit Moos bedeckt. Der Zeit trotzend, sie überdauernd. Während das Leben, das Lachen und Weinen, das einst dazwischen pulsierte, wie ein Schatten längst dahingehuscht war. Einen Hauch Erinnerung, Vergänglichkeit, Unendlichkeit hinterlassend.
     Und der Wunsch, sich auf die Erde niederzulegen, eins zu sein mit sich und dem Universum. Für Augenblicke keine Fragen stellen oder Antworten suchen. Nicht stark sein müssen, sondern schwach sein dürfen. Nicht denken, nur fühlen.
     Aber alles eine Fata Morgana. Nur scheinbar zu greifen, vermeintlich nahe wie Realität und doch wie Sand zwischen den Fingern in Nichts zerrinnend. Eine grenzenlose Sehnsucht, die die Flamme der Hoffnung am Glimmen hielt. Und ein wenig Halt bot in dem Strudel, der sie langsam hinunter zu ziehen drohte.
      
     Zuletzt der Verstand, der die Zuckungen des Herzens nach Unerfüllbarem zum Schweigen brachte. Und Maria dazu drängte, still und unaufhörlich in ihrem Inneren das Mantra zu wiederholen, sich auf das Mögliche zu beschränken und sich mit dem Erreichbaren zu bescheiden. 

     Doch war das alles im Leben? Eine Frage, laut wie ein Schrei. 

 
       Maria raufte sich die Haare. Sie wollte ihn erwürgen, erdolchen, erdrosseln, erschlagen, vierteilen oder was es sonst noch an Tötungsmöglichkeiten gab. 
     Diesen Teufel, der irgendwo saß, um ihr ständig Prügel vor die Füße zu werfen. Diesmal war es die Notwendigkeit eines neuen Heizwasserspeichers für über 3.000,- Euro, der alle Überlegungen und Planungen über den Haufen warf. Woher nehmen und nicht stehlen? Sie musste rechnen, Gespräche führen, Kalkulationen erstellen. Dabei wollte sie eigentlich nur Bücher lesen und an ihrem neuen Roman schreiben. Nun, das Geld für Lesestoff konnte sie sich nach dem Boiler-Desaster abschminken.
     Wieder zurückgeworfen, wieder kein Licht am Ende des Tunnels. Das Leben war manchen Monat so knapp, dass sie zum Monatsende hin nicht erst einmal mit ein paar Münzen in der Hand, im Geschäft mühsam Euro und Cent des notwendigen Einkaufs zusammenzählte, um noch genug Essbares für die Familie auftreiben zu können.
     Wer würde das von einer Frau Doktor im ach so reichen Österreich schon vermuten? Maria empfand es manchmal als entwürdigend, demütigend, den Stolz verletzend.
     Ihr ganzes Leben musste sie kämpfen. Um Anerkennung, Zuneigung, Verständnis. Um Hilfe, Unterstützung, Entgegenkommen. Um nicht in den Wogen des Schicksals unterzugehen.
     Aber steter Kampf hatte sie müde gemacht, zermürbt. Sie spürte den Fall in eine ausweglose Leere des inneren Ausgebranntseins. Doch es gab keinen Halt, fast keinen. 


Freitag, 1. Januar 2016



Silvester - Maria stand am offenen Fenster, atmete die kalte Winterluft. Von überall waren bereits Knaller und Feuerwerkskörper zu hören. Einige in ihrer Blickrichtung auch zu sehen.

Seit an einem 31.12. ein vierbeiniger Liebling von ihr über die Regenbogenbrücke gegangen war, mit nicht einmal fünf Jahren, war das Datum sowieso mit negativen Gedanken belastet. Nie mehr konnte sie an diesem Tag die unbeschwerte Freude oder Erwartung von früher spüren. Die Erinnerung ließ es einfach nicht zu.
Sie dachte über das gehende Jahr nach. Es schlich leise davon, obwohl es von vielen Hoffnungen begleitet gekommen war. Doch es hatte nur eine fast gerade Linie an Ereignissen, Arbeit und Freude gebracht. Wenn es keine Amplituden nach oben oder unten gab, musste man doch froh sein. Oder nicht?
Wenn ein Jahr wie das andere war. Dankbar, dass es nicht schlimmer gekommen war. Nicht unzufrieden, dass es keine Höhepunkte gab.
Doch dieses eigenartige Ding da in der Brust, das manche Herz nannten, klopfte beim Jahreswechsel noch immer schneller. Hegte Hoffnungen, vielleicht auch unerfüllbare.  Fragte, ob da nicht noch ein Mehr möglich wäre. Mehr Leben, mehr Liebe, mehr sich selbst spüren, mehr geheime Wunscherfüllung, mehr in die Ferne schweifen, mehr Gefühl, mehr Verständnis. Mehr von allem Positiven und viel weniger von allem Negativen.
Maria seufzte.
Entließ die niederdrückenden Gedanken mit der nächsten Rakete in die Nacht. Verabschiedete ihre Ängste in die Dunkelheit.
Im Radio zählte die Stimme die Sekunden bis zur Mitternacht. Drei, zwei, eins, Happy New Year!
Anstoßen, ein Kuss mit dem Angetrauten, einige Schluck trinken, die Vierbeiner umarmen und alles Gute wünschen. Vor allem Gesundheit. Das Wichtigste, wie Maria inzwischen zu wissen gelernt hatte.
In buntem Sprühregen zerfallende Raketen, eine Farbpalette an Blitzen in alle Himmelsrichtungen und die Bitte ans Universum, ein wenig mehr Licht, Strahlen und Leuchten im Neuen Jahr in ihr Leben zu streuen. Und das Versprechen, Demut und Dankbarkeit trotzdem nie zu verlernen.