Dienstag, 19. April 2016



Plötzlich weht der Wind kleine Wölkchen loser, zartweißer Blüten über ihre Haare und vor ihre Füße. Vorsichtig hebt sie einige auf, betrachtet sie verträumt und kann doch nicht diese Gedanken abwehren, die ihr in dieser Jahreszeit immer wieder durch den Kopf gehen. Wie viele Jahre werde ich noch im Frühling die Bäume sprießen und den Blütenregen fliegen sehen? Wie oft ist Reinhard dann an meiner Seite? Wie lange sind meine bellenden Vierbeiner noch meine Begleiter?
Sie weiß, dass es darauf keine Antwort gibt und kann doch das Grübeln darüber nicht abschütteln. Ein Schmetterling flattert vergnügt vor ihren Augen, hält kurz bei einer Blume inne und verharrt im Flügelschlag, um dann leicht schwebend davonzutanzen. Ach, sich genau so frei und unbeschwert fühlen können! Seufzend sieht sie einer frechen Kohlmeise nach, die sich nach dem erfrischenden Bad in der Vogeltränke lebensfroh in die Luft erhebt und Richtung dem strahlend blauen Himmel entschwindet. Sie würde am liebsten sofort mitfliegen. Die Augen schließen und sich davontragen lassen, aus der Begrenzung und dem Einerlei, hin zu mehr Freiheit und liebevoller Wärme.



Hhmm, was riecht da so intensiv? Maria schnuppert dem Duft nach und entdeckt die vielen nun über Nacht vollends geöffneten Veilchenblüten, die in kleinen Gruppen verteilt etliche Gartenbereiche erobert haben; lauter lila Tupfen – wie im Gespräch die Köpfe zusammengesteckt. Dann eine Etage höher einige Märzenbecher, die die Sonne mit eifrigem Nicken begrüßen und huldvoll den vielen Blausternchen zuzuwinken scheinen. Die Magnolienblüten recken ihre Spitzen dem Himmel entgegen, um Wärme bettelnd für die nächsten Tage, damit sie ihre rosa-weiß gestreiften Röcke mit den Rüschen voll Freude entfalten können. Und dann dieses Piepsen? Ja doch, da sind schon irgendwo kleine Amseljunge in einem Nest geschlüpft.  Maria betrachtet dieses bezaubernde Grün, wie es nur der Frühling in dieser feinen Vielfalt bieten kann. Auf jedem Stoff würde es vielleicht aufdringlich oder schreiend wirken, aber hier in der Natur ist es nur eine Verheißung aufs Wachsen und Blühen. Eine Hoffnung, dass alles gut werden kann.